Das Evangelium nach Matthäus - Kapitel 17
Die Verklärung und die Heilung des Kindes
1
Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, seinen Bruder, und führte sie auf einen hohen Berg beiseite.
2
Und er wurde vor ihnen verklärt, und sein Antlitz leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
3
Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
4
Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein; willst du, so will ich hier drei Hütten machen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
5
Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!
6
Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr.
7
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!
8
Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.
9
Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.
10
Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Warum sagen denn die Schriftgelehrten, zuvor müsse Elia kommen?
11
Jesus antwortete und sprach: Elia soll freilich kommen und alles zurechtbringen.
12
Doch ich sage euch: Elia ist schon gekommen, aber sie haben ihn nicht erkannt, sondern haben mit ihm getan, was sie wollten. So wird auch der Menschensohn leiden müssen von ihnen.
13
Da verstanden die Jünger, dass er von Johannes dem Täufer zu ihnen geredet hatte.
14
Und als sie zu dem Volk kamen, trat ein Mensch zu ihm und fiel ihm zu Füßen
15
und sprach: Herr, erbarme dich meines Sohnes! Denn er ist mondsüchtig und hat ein schweres Leiden; er fällt oft ins Feuer und oft ins Wasser.
16
Und ich habe ihn zu deinen Jüngern gebracht, aber sie konnten ihm nicht helfen.
17
Jesus aber antwortete und sprach: O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn mir her!
18
Und Jesus bedrohte ihn. Da fuhr der böse Geist aus von ihm, und der Knabe wurde gesund zu derselben Stunde.
19
Da traten die Jünger zu Jesus, als sie allein waren, und fragten: Warum konnten wir ihn nicht austreiben?
20
Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Kleinglaubens willen. Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich dorthin!, so wird er sich heben. Und euch wird nichts unmöglich sein.
21
Aber diese Art der bösen Geister fährt nur aus durch Gebet und Fasten.
22
Als sie nun in Galiläa zusammenkamen, sprach Jesus zu ihnen: Der Menschensohn wird überliefert werden in der Menschen Hände;
23
und sie werden ihn töten, und am dritten Tage wird er auferstehen. Und sie wurden sehr betrübt.
24
Als sie nun nach Kapernaum kamen, gingen die zu Petrus, die den Tempelgroschen einnahmen, und sprachen: Zahlt euer Meister nicht den Tempelgroschen?
25
Er sprach: Ja. Und als er ins Haus kam, kam ihm Jesus zuvor und sprach: Was meinst du, Simon? Von wem nehmen die Könige auf Erden Zoll oder Steuer? Von ihren Kindern oder von den Fremden?
26
Da sprach Petrus: Von den Fremden. Jesus sprach zu ihm: So sind die Kinder frei.
27
Damit wir sie aber nicht ärgern, so geh hin an das Meer und wirf die Angel aus und den ersten Fisch, den du fängst, den nimm; und wenn du sein Maul aufmachst, wirst du einen Stater finden; den nimm und gib ihn ihnen für mich und dich.
Die Verklärung und die Macht des Glaubens - Himmlische Herrlichkeit und irdischer Dienst
Kapitel 17 des Matthäusevangeliums bietet eine der dramatischsten Übergänge im gesamten Neuen Testament - von der himmlischen Herrlichkeit der Verklärung zur irdischen Realität von Leiden, Versagen und Verantwortung. Dieses Kapitel stellt Jesus sowohl in seiner göttlichen Majestät als auch in seiner menschlichen Barmherzigkeit dar und zeigt die Spannweite seines Wirkens von der Offenbarung himmlischer Wahrheiten bis zur Lösung praktischer Probleme. Durch die Verklärung, die Diskussion über Elia und Johannes den Täufer, die Heilung des epileptischen Jungen, die zweite Leidensankündigung und die Frage der Tempelsteuer erforscht dieses Kapitel grundlegende Themen des christlichen Glaubens: die Realität göttlicher Herrlichkeit, die Notwendigkeit von Glauben und geistlicher Disziplin, die Unvermeidlichkeit des Leidens und die Balance zwischen geistlicher Freiheit und sozialer Verantwortung. Das Kapitel zeigt, dass wahre geistliche Reife sowohl himmlische Visionen schätzen als auch irdische Verpflichtungen erfüllen kann.
Die Verklärung - Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit (Verse 1-9)
Die zeitliche Verbindung - "nach sechs Tagen" - schafft eine bewusste Verbindung zu Petrus' großem Bekenntnis und Jesu erster Leidensankündigung. Diese präzise zeitliche Markierung zeigt, dass die Verklärung nicht zufällig auftritt, sondern als göttliche Antwort auf die verwirrenden Lehren über Leiden und Opfer dient. Die Jünger brauchen eine Vision der Herrlichkeit, um die Realität des kommenden Leidens zu verstehen.
Die Auswahl der drei Jünger - "Petrus und Jakobus und Johannes" - spiegelt den inneren Kreis wider, der auch bei der Auferweckung der Tochter des Jairus und später in Gethsemane anwesend sein wird. Diese drei werden zu bevorzugten Zeugen der extremsten Manifestationen von Jesu Macht und Schwäche. Ihre Anwesenheit bei der Verklärung bereitet sie darauf vor, später seine Agonie zu bezeugen.
Der "hohe Berg beiseite" erinnert an andere biblische Berge der Offenbarung - Sinai, wo Mose das Gesetz empfing, und Horeb, wo Elia Gott begegnete. Die Tradition identifiziert diesen Berg als den Tabor, obwohl die genaue Lage weniger wichtig ist als die symbolische Bedeutung: Berge sind Orte der Nähe zu Gott, wo Himmel und Erde sich begegnen.
Die Verklärung selbst - "er wurde vor ihnen verklärt, und sein Antlitz leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht" - offenbart die göttliche Natur, die normalerweise durch seine Menschlichkeit verhüllt war. Das griechische Wort "metamorphoo" (verklärt) bedeutet eine grundlegende Transformation, nicht nur äußerliche Veränderung. Dies ist keine aufgesetzte Herrlichkeit, sondern die Offenbarung seiner wahren Identität.
Das Leuchten "wie die Sonne" verbindet Jesus mit der Schöpfungsordnung als dem Licht der Welt. Die Kleider "weiß wie das Licht" symbolisieren absolute Reinheit und himmlische Herrlichkeit. Diese Beschreibung übertrifft alle irdischen Vergleiche und deutet auf eine Realität hin, die jenseits normaler menschlicher Erfahrung liegt.
Das Erscheinen von "Mose und Elia" ist theologisch höchst bedeutsam. Mose repräsentiert das Gesetz, Elia die Propheten - zusammen verkörpern sie die gesamte alttestamentliche Offenbarung. Ihre Anwesenheit zeigt, dass Jesus die Erfüllung aller Schrift ist. Lukas berichtet, dass sie über seinen "Exodus" sprachen - seinen Tod in Jerusalem - und verbanden so Herrlichkeit mit dem kommenden Leiden.
Petrus' impulsiver Vorschlag - "Herr, hier ist gut sein; willst du, so will ich hier drei Hütten machen" - drückt den natürlichen Wunsch aus, spirituelle Höhepunkte dauerhaft zu machen. "Hier ist gut sein" (kalon estin) bedeutet nicht nur angenehm, sondern moralisch und spirituell gut. Petrus möchte diese Erfahrung verewigen und institutionalisieren.
Der Vorschlag der drei Hütten stellt Jesus auf die gleiche Ebene wie Mose und Elia, was ein grundlegendes Missverständnis seiner einzigartigen Identität zeigt. Obwohl gut gemeint, versteht Petrus nicht, dass Jesus nicht einer von vielen großen religiösen Gestalten ist, sondern der einzigartige Sohn Gottes.
Die göttliche Intervention - "eine lichte Wolke überschattete sie" - erinnert an die Shekinah-Herrlichkeit, die das Volk Israel in der Wüste führte. Die Wolke ist sowohl hell als auch überschattend, was die Paradoxie göttlicher Offenbarung widerspiegelt - sie bringt Licht, aber auch ehrfurchtgebietende Macht, die menschliches Verstehen übersteigt.
Die Stimme des Vaters - "Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!" - korrigiert Petrus' Gleichstellung Jesu mit Mose und Elia. "Mein geliebter Sohn" (ho huios mou ho agapetos) betont die einzigartige Beziehung zwischen Vater und Sohn. "An dem ich Wohlgefallen habe" zeigt vollkommene göttliche Zufriedenheit mit Jesus.
Der entscheidende Zusatz - "den sollt ihr hören!" - macht Jesus zur ultimativen Autorität über Mose (Gesetz) und Elia (Propheten). Dies erfüllt die Verheißung aus 5. Mose 18,15, wo Mose einen kommenden Propheten ankündigte, dem das Volk gehorchen sollte. Jesus ist dieser Prophet, aber mehr als ein Prophet - er ist der Sohn.
Die Reaktion der Jünger - "fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr" - zeigt die natürliche menschliche Antwort auf unmittelbare göttliche Gegenwart. Diese Furcht ist nicht Terror, sondern ehrfurchtsvolle Anerkennung der heiligen Majestät. Sie waren überwältigt von einer Realität, die ihre normale Erfahrung überstieg.
Jesu tröstende Antwort - "Steht auf und fürchtet euch nicht!" - zeigt seine Barmherzigkeit gegenüber menschlicher Schwäche. Obwohl er in göttlicher Herrlichkeit offenbart wurde, bleibt er der mitfühlende Lehrer, der seine Jünger tröstet. Seine Berührung verbindet physische Zärtlichkeit mit spiritueller Ermutigung.
Die Rückkehr zur Normalität - "sahen sie niemand als Jesus allein" - ist der Schlüssel zur ganzen Erfahrung. Nach allen Visionen und spirituellen Erlebnissen bleibt nur Jesus. Dies ist die bleibende Lektion: Nach allen religiösen Erfahrungen ist Jesus selbst das Zentrum und Ziel des Glaubens.
Das Schweigegebot - "Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist" - zeigt Jesu Verständnis, dass die Herrlichkeit ohne das Verständnis des Leidens missverstanden wird. Die Verklärung kann nur richtig interpretiert werden im Licht der Auferstehung, die das Leiden rechtfertigt und erklärt.
Die Frage nach Elia - Prophezeiung und Erfüllung (Verse 10-13)
Die Frage der Jünger über Elia - "Warum sagen denn die Schriftgelehrten, zuvor müsse Elia kommen?" - zeigt ihr Bemühen, die Verklärung mit der jüdischen Eschatologie in Einklang zu bringen. Nach Maleachi 3,23 sollte Elia vor dem "großen und furchtbaren Tag des Herrn" kommen, um die Herzen der Väter zu den Kindern zu wenden.
Jesu Antwort bestätigt zunächst die prophetische Erwartung - "Elia soll freilich kommen und alles zurechtbringen." "Zurechtbringen" (apokatastanai) bedeutet in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Elia sollte Israel geistlich vorbereiten und zur Umkehr führen vor dem Kommen des Messias.
Die entscheidende Wendung - "Elia ist schon gekommen, aber sie haben ihn nicht erkannt" - identifiziert Johannes den Täufer als die Erfüllung der Elia-Prophezeiung. Johannes kam "im Geist und in der Kraft des Elia" (Lukas 1,17) und erfüllte die prophetische Rolle des Vorläufers, auch wenn er nicht die literale Reinkarnation Elias war.
Das tragische "aber sie haben ihn nicht erkannt" zeigt das spirituelle Versagen der Generation. Johannes war offensichtlich von Gott gesandt - seine Botschaft, sein Lebensstil und seine Macht zeugten davon. Doch die religiösen Führer und die Mehrheit des Volkes erkannten seine göttliche Mission nicht.
"Sondern haben mit ihm getan, was sie wollten" bezieht sich auf Johannes' Gefangennahme und Enthauptung durch Herodes Antipas. Statt den Boten Gottes zu ehren, behandelten sie ihn als politische Bedrohung und persönliches Ärgernis. Dies zeigt das Muster menschlicher Rebellion gegen göttliche Offenbarung.
Die ominöse Prophezeiung - "So wird auch der Menschensohn leiden müssen von ihnen" - verbindet das Schicksal des Vorläufers mit dem des Messias. Derselbe Geist der Ablehnung, der Johannes tötete, wird auch Jesus kreuzigen. Die Verwerfung des Boten ist Vorbote der Verwerfung der Botschaft selbst.
Das Verstehen der Jünger - "Da verstanden die Jünger, dass er von Johannes dem Täufer zu ihnen geredet hatte" - zeigt wachsende spirituelle Reife. Sie können nun prophetische Erfüllung in unerwarteter Form erkennen. Johannes war Elia nicht durch Reinkarnation, sondern durch Funktion und geistliche Kraft.
Die Heilung des epileptischen Jungen - Glauben und geistliche Disziplin (Verse 14-21)
Der abrupte Übergang von der Bergeshöhe zur Menschenmenge zeigt den Kontrast zwischen spirituellen Gipfelerfahrungen und alltäglichen Herausforderungen. Während Jesus in Herrlichkeit verklärt war, kämpften seine Jünger unten mit ihrer Unfähigkeit, einer leidenden Familie zu helfen. Dies illustriert die Notwendigkeit, spirituelle Erfahrungen in praktischen Dienst umzusetzen.
Die verzweifelte Bitte des Vaters - "Herr, erbarme dich meines Sohnes!" - drückt sowohl elterliche Liebe als auch Anerkennung von Jesu Autorität aus. "Erbarme dich" (eleeson) ist ein Aufruf zu göttlichem Mitgefühl und Aktion. Der Vater wendet sich an Jesus als letzte Hoffnung nach dem Versagen der Jünger.
Die Beschreibung der Krankheit - "er ist mondsüchtig und hat ein schweres Leiden; er fällt oft ins Feuer und oft ins Wasser" - zeigt schwere Epilepsie, die in der Antike als Mondsucht (Seleniasmos) bezeichnet wurde, weil man glaubte, sie stehe in Verbindung mit Mondzyklen. Das "schwere Leiden" deutet auf die Intensität und Häufigkeit der Anfälle hin.
Das Fallen "ins Feuer und ins Wasser" zeigt die tödliche Gefahr der Krankheit. Der Junge ist nicht nur krank, sondern ständig dem Tod nahe. Dies macht die Heilung zu einer Frage von Leben und Tod, nicht nur von Komfort oder Normalität.
Das Versagen der Jünger - "ich habe ihn zu deinen Jüngern gebracht, aber sie konnten ihm nicht helfen" - ist besonders schmerzlich nach ihren früheren Erfolgen bei der Aussendung der Zwölf (Kapitel 10). Dies zeigt, dass geistliche Vollmacht nicht automatisch oder dauerhaft ist, sondern ständige Abhängigkeit von Gott erfordert.
Jesu scharfe Antwort - "O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht" - richtet sich nicht nur an die Jünger, sondern an die gesamte Generation. "Ungläubig" (apistos) bedeutet ohne Vertrauen auf Gott; "verkehrt" (diestrammeone) bedeutet verdreht oder pervertiert. Diese Generation hatte trotz überwältigender Beweise noch keine angemessene Glaubensantwort entwickelt.
Die frustrierte Frage - "wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen?" - drückt nicht Ungeduld oder Zorn aus, sondern tiefe Trauer über die Langsamkeit geistlichen Verstehens. Jesus sieht seine Zeit mit ihnen als begrenzt und ist betrübt über ihre anhaltende spirituelle Unreife.
Der einfache Befehl - "Bringt ihn mir her!" - zeigt, dass trotz seiner Frustration seine Barmherzigkeit unverändert bleibt. Er wird nicht durch menschliches Versagen daran gehindert, zu helfen. Seine Kritik dient der Korrektur, nicht der Ablehnung.
Die sofortige Heilung - "Jesus bedrohte ihn. Da fuhr der böse Geist aus von ihm, und der Knabe wurde gesund zu derselben Stunde" - demonstriert absolute geistliche Autorität. "Bedrohte" (epetimesen) ist dasselbe Wort, das für die Beruhigung des Sturms verwendet wird. Jesu Wort allein genügt, um jede feindliche Macht zu besiegen.
Die private Frage der Jünger - "Warum konnten wir ihn nicht austreiben?" - zeigt sowohl Demut als auch Lernbereitschaft. Sie erkennen ihr Versagen an und suchen Verständnis statt Rechtfertigung. Dies ist die Haltung, die zu geistlichem Wachstum führt.
Die Diagnose des Problems - "Um eures Kleinglaubens willen" - identifiziert die Ursache nicht als Abwesenheit von Glauben, sondern als inadäquaten Glauben. "Kleinglaube" (oligopistia) beschreibt Glauben, der zu schwach ist für die vorliegende Herausforderung. Die Jünger hatten Glauben, aber nicht die Qualität oder Intensität, die nötig war.
Die berühmte Lehre über Senfkornglauben - "Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich dorthin!, so wird er sich heben" - ist oft missverstanden worden. Es geht nicht um die Größe des Glaubens, sondern um seine Natur. Ein Senfkorn ist klein, aber lebendig und wachsend. Echter Glaube, egal wie klein, hat göttliche Lebenskraft.
Die Verheißung "euch wird nichts unmöglich sein" bezieht sich nicht auf willkürliche Wünsche, sondern auf Gottes Willen. Wenn Gläubige in völliger Übereinstimmung mit Gottes Absichten handeln, werden sie seine unbegrenzte Macht erfahren. Dies ist nicht Magie, sondern Mitwirken mit göttlichen Zielen.
Die zusätzliche Lehre über "Gebet und Fasten" - "Aber diese Art der bösen Geister fährt nur aus durch Gebet und Fasten" - zeigt, dass manche geistlichen Kämpfe besondere Vorbereitung erfordern. Gebet verbindet uns mit Gottes Kraft; Fasten befreit uns von Abhängigkeit von physischen Komforts und schärft geistliche Sensibilität.
Die zweite Leidensankündigung - Vertiefung des Verständnisses (Verse 22-23)
Die Wiederholung der Leidensankündigung - "Der Menschensohn wird überliefert werden in der Menschen Hände" - fügt neue Details hinzu. "Überliefert" (paradothénai) deutet auf Verrat hin, wahrscheinlich durch einen der Zwölf. Dies macht das kommende Leiden noch persönlicher und schmerzvoller.
Die einfache Wiederholung "sie werden ihn töten, und am dritten Tage wird er auferstehen" verstärkt die Gewissheit sowohl des Todes als auch der Auferstehung. Jesus ist nicht verwirrt oder unsicher über seine Zukunft - er geht bewusst den Weg, den der Vater bestimmt hat.
Die Reaktion der Jünger - "sie wurden sehr betrübt" - zeigt wachsendes Verständnis der Realität. Bei der ersten Ankündigung hatte Petrus protestiert; jetzt sind sie einfach traurig. Sie beginnen zu akzeptieren, was sie nicht verstehen können.
Die Tempelsteuer - Freiheit und Verantwortung (Verse 24-27)
Die Frage der Steuereintreiber an Petrus - "Zahlt euer Meister nicht den Tempelgroschen?" - scheint harmlos, könnte aber ein Versuch gewesen sein, Jesus als gesetzlos darzustellen. Die Tempelsteuer war eine freiwillige Abgabe für den Unterhalt des Tempels, die von jedem jüdischen Mann über 20 Jahren erwartet wurde.
Petrus' schnelle Antwort - "Ja" - zeigt seinen Wunsch, Kontroversen zu vermeiden. Er nimmt an, dass Jesus die Steuer zahlt wie alle anderen auch. Dies zeigt Petrus' noch begrenztes Verständnis von Jesu einzigartiger Identität und Autorität.
Jesu präventive Frage - als Petrus ins Haus kam, "kam ihm Jesus zuvor" - zeigt seine übernatürliche Kenntnis der Situation. Er wusste von der Begegnung ohne informiert zu werden, was seine göttliche Allwissenheit demonstriert.
Die Analogie von den Königen - "Von wem nehmen die Könige auf Erden Zoll oder Steuer? Von ihren Kindern oder von den Fremden?" - stellt ein klares Prinzip auf. Könige besteuern ihre Untertanen, nicht ihre eigene Familie. Die Angehörigen des königlichen Haushalts sind von Steuern befreit.
Petrus' Antwort - "Von den Fremden" - erkennt dieses universelle Prinzip an. Jesus führt ihn dann zur logischen Schlussfolgerung: "So sind die Kinder frei." Als Sohn Gottes ist Jesus von der Tempelsteuer befreit, da der Tempel das Haus seines Vaters ist.
Die praktische Entscheidung - "Damit wir sie aber nicht ärgern" - zeigt Jesus' Weisheit im Umgang mit potenziellen Hindernissen für das Evangelium. Obwohl er rechtlich frei von der Steuer ist, wählt er, sie zu zahlen, um nicht unnötige Anstöße zu schaffen.
Das Wunder mit dem Fisch - "geh hin an das Meer und wirf die Angel aus... wirst du einen Stater finden" - zeigt göttliche Vorsehung für praktische Bedürfnisse. Gott sorgt auf übernatürliche Weise für die Mittel zur Erfüllung seiner Absichten. Ein Stater war genau der Betrag, der für zwei Tempelsteuern benötigt wurde.
Die Einbeziehung des Petrus - "gib ihn ihnen für mich und dich" - zeigt Jesus' Solidarität mit seinen Jüngern. Er behandelt Petrus' Bedürfnisse als seine eigenen und zeigt die Gemeinschaft, die zwischen ihm und seinen Nachfolgern besteht.
Anwendungen für das zeitgenössische geistliche Leben
Die Verklärung erinnert uns daran, dass Jesus sowohl völlig menschlich als auch völlig göttlich ist. Diese Doppelnatur ist entscheidend für unser Verständnis seiner Fähigkeit, uns zu retten und mit uns mitzufühlen. Spirituelle "Bergeshöhen" -Erfahrungen sind wertvoll, aber sie müssen uns für den Dienst im Tal vorbereiten.
Das Versagen der Jünger bei der Heilung lehrt uns, dass geistliche Vollmacht nicht automatisch ist, sondern ständige Abhängigkeit von Gott durch Gebet und Fasten erfordert. Echter Glaube ist nicht von seiner Größe, sondern von seiner Echtheit und seinem Vertrauen auf Gott charakterisiert.
Die Belehrung über die Tempelsteuer zeigt den Unterschied zwischen geistlicher Freiheit und sozialer Verantwortung. Manchmal ist es weise, auf legitime Rechte zu verzichten, um größere Ziele zu erreichen und andere nicht zu behindern.
Die wiederholten Leidensankündigungen bereiten uns darauf vor, dass nachfolgende Jüngerschaft Kosten mit sich bringt. Aber wie die Verklärung zeigt, ist das Leiden nicht das Ende der Geschichte - Herrlichkeit wartet auf die, die treu bleiben.
Gebet für Verständnis und treue Nachfolge
Herr Jesus, Du, der du in göttlicher Herrlichkeit verklärt wurdest, aber auch menschliches Leiden auf dich nahmst, hilf uns, beide Aspekte deiner Natur zu verstehen und zu schätzen. Wenn wir spirituelle Höhepunkte erleben, lass sie uns für treuen Dienst in den alltäglichen Herausforderungen des Lebens stärken. Stärke unseren Glauben durch Gebet und Fasten, damit wir wirksame Werkzeuge in deinen Händen sein können. Lehre uns, wann wir auf unsere Rechte verzichten sollen für das größere Wohl des Evangeliums, und gib uns Weisheit im Umgang mit praktischen Verantwortungen. Vor allem bereite unsere Herzen darauf vor, sowohl Herrlichkeit als auch Leiden als Teil der treuen Nachfolge zu akzeptieren, im Wissen, dass du bei uns bist in allem. In deinem verklärten und doch mitfühlenden Namen. Amen.